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Sonntag, 11. Februar 2018

The Blind Assassin

Hallo meine starken Frauen und Männer,

Anfang Januar hat mein treuer Fahrradreifen den Geist aufgegeben und ich musste auf den Bus umsteigen. An meiner Bushaltestelle wohnt glücklicherweise ein Bücherschrank. Und da drin habe ich dann direkt dieses wundervolle Buch entdeckt, dass ich schon lange lesen wollte und dass auch noch auf Englisch, also im Original, war. Da hab ich sofort zugegriffen.

Die Fakten:
  • Autor: Margaret Atwood
  • Titel: The Blind Assassin
  • Erschienen: 2001
  • Verlag: Virago Press
  • Seiten: 637
  • Preis: 9,99 Euro
  • Klappentext: "`Ten days after the war ended, my sister Laura drove a car off a bridge.´ More than fifty years on, Iris Chase is remembering Laura's mysterious death. And so begins an extraordinary and compelling story of two sisters and their secrets. Set against a panoramic backdrop of twentieth-century history, The Blind Assassin is an epic tale of memory, intrigue and betrayal."

Zur Handlung: Rückblickend stellt Iris fest, dass sie etwas hätte ahnen müssen. Laura war schon immer besonders. Sie nahm Dinge zu wörtlich. Sie stellte zu viele Fragen. Rückblickend ist man immer schlauer. Als Schwestern wachsen Laura und Iris in einer Familie ohne Mutter auf, denn diese verstirbt jung. Der Vater ist ein angesehener Fabrikant, aber durch die Weltwirtschaftskrise gerät auch die Familie in immer mehr Krisen.

The Blind Assassin - Kinder, die durch jahrelange Sklavenarbeit in Teppich-Fabriken erblindet sind. Wenn sie für diese Arbeit nicht mehr taugen, werden sie an Bordelle verkauft. Doch einige entkommen, und sie werden die gefürchtetsten Killer des Landes. Diese und andere Geschichten erzählt er ihr in dunklen Kammern, in kalten Verstecken, in schäbigen Häusern. Und doch fühlt sie sich nur hier wie sie selbst.

In diesem Buch bekommen wir ganze 4 Geschichten präsentiert, die am Anfang noch etwas lose zusammenhängen, allerdings verdichtet sich alles auf den letzten Seiten. Zunächst erfahren wir von Iris, die inzwischen über 80 Jahre alt ist, und sowohl unter einem Herzproblem als auch alten Erinnerungen leidet. Sie beschließt, die Geschichte ihrer Kindheit und ihrer Schwester Laura endlich aufzuschreiben, mit allen Wahrheiten. 

Wir bekommen dann also auch die Geschichte der beiden jungen Mädchen Iris und Laura, die noch vor dem ersten Weltkrieg beginnt, wenn ich mich recht erinnere, und bis zum Tod von Laura nach dem zweiten Weltkrieg und noch ein wenig darüber hinaus erzählt. Dabei fand ich Laura sehr schwer zu mögen, sie ist ein ganz seltsames Kind und Iris wird immer wieder damit beauftragt, auf sie aufzupassen, was ich doch auch als unfair empfunden habe, was wohl daran liegt, dass Iris das intrinsisch selbst so empfunden hat und die Geschichte entsprechend erzählt.

Dann gibt es einen anderen Teil der Geschichte, nämlich das eigentliche Buch von Laura Chase. The Blind Assassin handelt von einer jungen Frau, die von ihrer Affaire berichtet. Ihr Geliebter ist scheinbar polizeilich gesucht, er muss sich verstecken und wechselt immer wieder seinen Standort. Die beiden haben eine eigenartige und anstrengende Beziehung. Sie neigen oft dazu, zu streiten. Daher erzählt er ihr eine Geschichte, damit sie ihre Gedanken von ihrer eigentlichen Situation ablenken können.

In dieser Geschichte erfahren wir von femden und unentdeckten Planeten. Dort gibt es eine Kultur, in der Kinder als Sklaven gezwungen werden, Teppiche zu knüpfen. Dies sind die feinsten Teppiche der Welt, wie nur Kinderhände sie herstellen können. Doch nach einiger Zeit erblinden die Kinder ob der unmenschlichen Bedingungen und werden an Bordelle weiterverkauft. Einige dieser Kinder konnten jedoch entkommen und haben sich als tödliche Killer etabliert. Da sie blind sind, können sie sich auf all ihre anderen Instinkte verlassen. Doch die Welt bietet noch so viel mehr...

Das Buch ist also unglaublich komplex. Sehr früh schon beginnt man sich zu fragen, ob Laura hier autobiografisch von einer Affaire geschrieben hat. Und was das wiederum mit ihrem Tod nach dem Krieg zu tun hat. Aber so richtig wollen die Teile einfach nicht zusammenpassen. Auch die ältere Iris macht immer wieder Andeutungen, dass sie bestimmte Dinge wissen oder zumindest ahnen müssen. Und nach und nach fügt sich das Bild dann zusammen.

Allerdings haben wir es doch auch ein Stück weit mit einer Quelle zu tun, der man nicht ganz trauen kann. Denn Iris fühlt sich doch eindeutig als Opfer. Als Kind wird sie immer wieder damit bedacht, auf Laura aufzupassen, sie auf dem richtigen Weg zu halten, sie zu retten. Doch ist das nicht zu viel Verantwortung für eine ältere Schwester? Laura dagegen erscheint als Charakter, der kein Leid spürt. Sie scheint immer kühl. Der Tod der Mutter scheint sie kaum zu betrüben. Auch als ganz andere Dinge passieren, kann Iris ihr nicht glauben, weil sie nicht die entsprechenden Gefühle zeigt. Und so erscheint Laura also als frei und ungezwungen. Dass das aber nicht der Realität entsprechen kann, sehen wir schon am Aufhänger des Buches: Sie hat ein Auto von einer Brücke gefahren. 

Zu Beginn des Buches war das Buch von Laura Chase aber definitiv, was mich als Leser gefesselt hat. Laura war schwer ins Herz zu schließen, Iris hat sich selbst etwas zu sehr bemitleidet. Da ist die Geschichte einer Frau, die einen gesuchten Verbrecher liebt, der ihr Science-Fiction Geschichten erzählt doch irgendwie angenehmer. Doch je mehr sich alles verdichtet, desto weniger will man auch nur ein Wort der Geschichte verpassen. Es passieren im Leben von Iris und Laura so viele Wendungen, die man nicht kommen sieht. Man springt von vorn nach hinten und zurück und puzzlet sich die Wahrheit zusammen.

Der Schreibstil ist dabei ganz wunderbar. Ich fand es auch als Nicht-Muttersprachlerin immer gut zu verstehen und es war leicht zu folgen. Die 637 Seiten merkt man dem Buch aber an, man ist doch eine Weile beschäftigt. Dabei kam bei mir aber nie das Gefühl auf, dass es künstlich in die Länge gezogen wird, weil am Ende wirklich alles wichtig war. Die kurzen "Zeitungsartikel", die eingestreut werden, lockern das Ganze auch stilistisch etwas auf. 

Insgesamt kann ich das Buch absolut empfehlen. Es ist ein spannendes Familiendrama mit zwei ungleichen Schwestern, die sich am Ende wahrscheinlich nie ganz verstanden haben. Es geht um Missverständnisse, aber auch darum, wie man den anderen bewusst und unbewusst verletzt, weil man sich selbst verletzt fühlt. Es geht darum, wie verschiedene Generationen das ausbaden, was man selbst falsch gemacht hat, oder anders hätte machen können. Es geht letztlich um Verrat. Und um Liebe. Für mich wirklich ein Meisterwerk. 

Kennt ihr das Buch? Die Autorin hat ja durch A Handmaid's Tale sehr viel Berühmtheit im letzten Jahr bekommen. Dieses Buch werde ich vermutlich als nächstes lesen von ihr.

Bis bald,
Eure Kitty Retro





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